Fahrplanentwicklung

Auf Linie bringen

Angebotsmanagement bei der Hagener Straßenbahn

Tusche, Schablone und Lineal waren Ende der Siebzigerjahre die bevorzugten Werkzeuge von Eckehardt Vorwerk. Damit zeichnete er akribisch die Fahrpläne der Hagener Straßenbahn. Rechner, Software und Maus heißen heute die wichtigsten Instrumente für seine jüngeren Kollegen*innen – und für ihn.

Wie ein „Urgestein“ sieht Eckehardt Vorwerk nicht gerade aus. Drahtig, mit wachen Augen und lässig gekleidet wirkt er eher wie einer von denen, die einfach nicht alt werden. Und doch hat der Fahrplangestalter gut 40 Jahre Hagener Straßenbahn miterlebt und mitgeprägt. Ein wenig Stolz schwingt mit, wenn er seine kleine Kiste mit der Sammlung vergangener Fahrpläne hervorholt. In einem kleinen vergilbten Heftchen Anfang der 1930er Jahre warb neben dem Plan der Linie 7 zwischen Markt und Kabel das Tapeten- und Linoleumgeschäft Josef Klein. „Größte Auswahl zu mäßigen Preisen“ hieß es in der Anzeige. Den Betrieb gibt es bis heute. Solche Werbung fehlt in den aktuellen Fahrplänen. Und auch sonst haben sie sich in all den Jahren gemeinsam mit der Stadt Hagen entwickelt. Das Aus für die Straßenbahnverbindungen 1976 erlebte Vorwerk als frischgebackener Auszubildender mit. Seine Laufbahn bei der HST begann er in der Abteilung „Fahrplangestaltung“. Da war noch echte Handarbeit gefragt: „Wir haben für jede Buslinie einen Plan gezeichnet, auf Basis des zuvor geplanten Streckennetzes in der Stadt. Aus heutiger Sicht erscheint das recht mühsam. Damals war das ganz normal. Und die Busse kamen auch an“, schmunzelt er.

Wir wollen saubere Takte haben, mit möglichst wenigen Wartezeiten. Außerdem wissen wir, dass die Hagener Direktfahrten bevorzugen, sogar wenn sie länger dauern als mit Umstieg“

Philippe Staat
Fachgruppenleiter

Aufs Bahngleis geblickt

Der erfahrene Fahrplaner sitzt regelmäßig auch hinter dem Steuer, wie die anderen Mitarbeiter im Angebotsmanagement – und Fachgruppenleiter Philippe Staat: „Gerade problematische Strecken wollen wir aus eigener Anschauung kennen, um besser die Situation für unserer Fahrer-Kollegen einschätzen zu können“, sagt er. „Gelegentlich springen wir auch ein, zum Beispiel bei Sonderfahrten für Veranstaltungen. Wir haben ja alle den Bus-Führerschein Klasse D.“ Philippe Staat ist im Vergleich zu seinem Kollegen Vorwerk ein „Youngster“. Er arbeitet erst seit sieben Jahren bei der HST, war in seiner Studiumszeit U-Bahn-Fahrer und dann Planer in Hamm und Bielefeld. „Von meinem Kinderzimmer guckte ich auf ein Bahngleis. Vielleicht wäre ich Pilot geworden, wenn es ein Flughafen gewesen wäre“, scherzt er. „So wurde es halt der Nahverkehr, für den ich mich früh begeisterte.“ Später studierte Staat Geografie und Raumplanung, mit Schwerpunkt Verkehrsgeografie. Fahrplanung heute funktioniert nach den gleichen Prinzipien wie zu Beginn des öffentlichen Nahverkehrs: „Wir wollen saubere Takte haben, mit möglichst wenigen Wartezeiten. Außerdem wissen wir, dass die Hagener Direktfahrten bevorzugen, sogar wenn sie länger dauern als mit Umstieg“, betont der Fachgruppenleiter. Wie sich die Fahrgastzahlen auf den Strecken entwickeln, beobachten die Experten genau. Anpassungen der Linienführung und der Taktzeiten sowie gegebenenfalls auch neue Linien sind die Folge.

Anregungen der Fahrgäste

Den Ausgangspunkt der Planung bilden die StreckenEnden und die Frage, wann und wo die ersten Busse auf der jeweiligen Linie eingesetzt werden. Anregungen der Fahrgäste nehmen die Planer regelmäßig auf. „Früher sicher weniger systematisch als heute“, sagt Eckehardt Vorwerk. Philippe Staat ergänzt: „Damals hatten wir halt kein Kundenforum, das mehrmals im Jahr tagte. Der Fahrplan ist dabei ein sehr beliebtes Thema. Wir nehmen jeden Hinweis sehr ernst, prüfen sorgfältig das Verbesserungspotenzial und die Machbarkeit. Manchmal scheitert es einfach daran, dass die vorgeschlagene neue Strecke sich für den Busverkehr nicht eignet, zum Beispiel weil die Straße schlicht zu eng ist. Oder weil die notwendigen Pausenzeiten für die Fahrer nicht einzuhalten sind. Wir haben aber schon viele Anregungen umgesetzt. Dafür sind wir sehr dankbar.“ So eine neue Fahrplanung braucht ihre Zeit „Rund ein halbes Jahr muss man mindestens rechnen“, sagt Philippe Staat. Hinzu kommt der Entscheidungsprozess der Hagener Politik und der Antrag bei der Bezirksregierung für die erforderlichen neuen Konzessionen. Und wenn der Plan steht, folgt der Dienstplan für die Busfahrer. „Früher gab es große Kurstafeln im A3-Format, die jeder Fahrer mit auf die Strecke nahm. Heute haben wir für jeden einzelnen Linienumlauf Kursbücher im A5-Format. Die bereiten wir für die Fahrer auf.“

Tagesgeschäft Umleitung

Ein Großteil der Arbeit entfällt auch auf das Tagesgeschäft. Baustellen, Unfälle, Staus erfordern Umleitungen, dadurch verändern sich Wege und Fahrtzeiten. „Unsere Leitstelle steht in ständigem Kontakt zur Stadt und zu Straßen NRW. Mit den Kollegen definieren wir die besten Strecken für die Umleitung. Wir testen die anderen Wege, unter anderem darauf, ob unsere Busse ohne Probleme durch teilweise engere Straßen kommen“; sagt Philippe Staat. Im Wohngebiet Ischeland beispielsweise dürfen sich die Busse an manchen Stellen nicht begegnen – zu eng für zwei. Also müssen die Planer die Busse so takten, dass sie sich dort nicht begegnen. Und da Baustellen und andere spontane Verkehrshindernisse nie enden, hat die Abteilung Angebotsplanung immer genug zu tun.

Unser Netzplan ist so übersichtlich wie kompliziert und erinnert in seiner Ästhetik an den berühmten Plan der Londoner U-Bahn. Er kann hier eingesehen und heruntergeladen werden, ist in der HST-App enthalten und funktioniert bestens sowohl als Plakat in den Haltestellen und Bussen als auch auf dem Smartphone.